Der heilige Aegidius und wie Mümling-Grumbach zu seinem Wappen kam
Im Odenwald wohnten damals keltische Brittonen. Unter römischen Offizieren erbauten sie Kastelle und Wachtürme am Odenwaldlimes. Erbauer der Kastelle am Mümlinglimes waren keltische Nemaningensis. Kelten mögen auch im Römerdorf, dem heutigen Mümling-Grumbach gewohnt haben. Ihre Kultstätte lag auf der Höhe des heutigen Kirchberges. Im Mittelalter erscheint dan das Land als Zent Höchst der Herrschaft Breuberg. Die Zentallmende wurde als Weide genutzt, hier hüteten die Hirten der Zentorte ihr Vieh. Der Schutzpatron der Hirten war der heilige Aegidius. Ihm erbauten sie auf dem gleichen Gelände eine schlichte Kapelle (die heutige Friedhofskapelle) und weihte sie dem Heiligen Aegidius.
Der Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet Schildträger.im Französischen heißt der Heilige St. Gilles deutsch auch St. Ilgen oder St. Gilgen. Dargestellt wird er als Abt oder Einsiedler mit einer Hirschkuh, die zu seinen Füßen liegt oder den Heiligen anspringt, der sie schützt, auch mit Buch in der rechten Hand.Aegidius war ein im 7. Jh. n. Chr. in Athen geborener Grieche, der in das uralte griechische Kolonialland Südfrankreich zog und dort zunächst als Einsiedler lebte.
Er machte sich in der Gegend der Rhonemündung eine schöne Einsamkeit zurecht, bereitete den Tieren eine bequeme Tränke und machte sich besonders eine Hirschkuh heimisch, die sich täglich aus seiner Hand das Futter holte und ihn dafür mit ihrer Milch nährte.
Eines Tages, als die Hetzjagd des gotischen Königs Flavius in diese Gegend drang, trieben die Hunde das Wild auf. Der König schoß blind einen Pfeil in die mit Gestrüpp völlig zuge wachsene Höhlenöffnung. Als er nachsah, ob er getroffen hatte, fand er Ägidius blutend in seiner Höhle vor, die Hirschkuh unverletzt an ihn geschmiegt. Der Herrscher, der dieses Unglück verschuldet hatte, bot Ägidius ärztlichen Beistand und Geld an. Der Einsiedler aber wollte sich nicht helfen lassen. Er bat den König nur um eines: Er sollte ihm hier in der Einsamkeit ein Kloster bauen lassen.
Der König, froh, seine Schuld wie dergutmachen zu können, erfüllte Ägidius den Herzenswunsch. 680 schuf Ägidius so die Benediktiner-Abtei St.-Gilles, der er bis zu seinem Tod als Abt vorstand.
Da die Urkunde Benedikts II. für sein Kloster vom 26.4.685 (nach Jaffé 2127) aber unecht ist, läßt sich nichts Sicheres sagen. Das Städtchen Saint-Gilles, wo sich das Grab des hl. Aegidius befindet, liegt südlich von Nimes in der Provence (Südfrankreich). Von dem uralten Kloster, dessen Anfänge sich im Dunkel der Geschichte verlieren, blieben nur die Kirche mit ihrer romanischen Fassade sowie die mächtige Krypta erhalten, wo der schlichte Steinsarkophag steht, in den die Gebeine des Heiligen eingebettet waren. Seine Reliquien ruhen jetzt in Saint-Sernin in Toulouse.
Die Legende bringt ihn auch mit Karl Matell in Verbindung. Nach dem Tod des Heiligen 725 n. Chr. wurde das Kloster zu einem bedeutendem Wallfahrstort, Aegidius im ganzen fränkischen Reich hochverehrt als Fürsprecher beim Bekennen einer schweren Schuld, als Hüter der Hirten und ihrer Herde und insbesondere als Schutzpatron der stillenden Mütter und Bewahrer ihrer Kinder vor bösen Träumen. Einer Legende nach, ließ er den Sohn des Fürsten von Nîmes zum Leben erwecken. In Rom warf er unter Gebeten die ihm vom Papst für sein Kloster geschenkten Türen aus geschnitztem Zypressenholz in den Tiber, er fand sie tatsächlich nach seiner Rückkehr im Hafen seines Klosters wieder. Als ein Klosterbruder an der Jungfräulichkeit Mariä zweifelte und drei Fragen in den Sand schreib, erblühten als Antwort des Ägidius drei weiße Lilien aus dem dürren Boden.
Nach anderen Legenden bemühte sich Karl, der Große, - er lebte fast 100 Jahre später - um die Fürbitten Ägidius': Ein Engel brachte danach einen Zettel mit der bestätigten Sündenvergebung auf den Altar, an dem Ägidius sein Amt versah. Seitdem gilt Ägidius als Beistand einer guten Beichte und Vergebung und zählt als solcher zu den vierzehn Nothelfern. Sein Tod wurde ihm im voraus verkündet, bei der Bestattung des Entschlafenen hörten Anwesende die Chöre der Engel, die seine Seele gen Himmel trugen.
Er wird ebenfalls in England sehr verehrt, wo allein 160 Kirchen seinem Namen geweiht sind. weiht sind. Sankt Aegidius war einer der volkstümlichsten Heiligen des Mittelalters, worauf seine vielen Patronate hinweisen.
So ist er der Schutzheilige vieler Orte und Landschaften wie Edinburgh, Toulouse, Klagenfurt, Kärnten, Graz, Nürnberg, Osnabrück u. a. Seine Fürbitte wird angerufen bei Aussatz, Pest, Krebs, Irrsinn, ehelicher Unfruchtbarkeit, bei Dürre, Sturm, Feuersbrunst, Unglück, Menschenfurcht, in großer geistiger Not und Verlassenheit, für eine gute Beichte, von stillenden Müttern, von Krüppeln; er ist Patron der Hirten, des Viehs und der Bettler.
Schon im 11. Jahrhundert waren Wallfahrten zu seinem Grabe berühmt wie die nach Rom oder Santiago de Compostela. Das Kloster wurde in den Hugenottenkriegen des 16. Jahrhunderts zerstört. Der Ägidiustag (1. September) ist noch heute vielerorts ein Tag der Volksfeste - so auch bei uns.
Und wie kam nun Mümling-Grumbach zu seinem Wappen ?
Am 02. April 1964 beantragte der Lehrer und Heimatforscher Friedrich Höreth ein Wappen für Grumbach, was am 17.April 1968 die Gemeindevertretung einstimmig beschloss. Das hessische Staatsarchiv Darmstadt bittet am 30.06.1968 den Regierungspräsidenten Darmstadt um Gebehmigung des Wappens mit der begründung: "Wir sind dabei von dem Umstand ausgegangen, dass die alte Mümling-Grumbacher Kapelle als ein Ägidius Patrozinum anzusprechen ist und als Attribute dieses Heiligen sich die Hindin mit den Pfeilen durchgesetzt hat.
Ferner wird dem Vorschlag durch die roten Balken in Silber auf die ehemalige Zugehörigkeit Mümling-Grumbachs zur Herrschaft Breuberg angespielt." Am 23. Dezember 1968 genehmigte der Hessische Minister des Inneren das Wappen und eine Flagge der Gemeinde Mümling-Grumbach, Landkreis Erbach, Regierungsbezirk Darmstadt (IV A 22 - 3 k 06 - 30/68)
Wappenbeschreibung:
Schild von Silber und Blau, geteilt, links zwei rote Balken, in dem verbreitertem rechten Feld eine steigende goldene Hindin mit einem darübergelegten und nach unten weisenden silbernen Pfeil.
Flaggenbeschreibung:
Auf dem von Rot und Gelb im oberen Drittel geständertem Flaggentuch und im Kreuzpunkt aufgelegt das Gemeindewappen.
Quellen: Der Matronenstein zu Mümling-Grumbach im Odenwald, Anita Büttner, OWHZ 5/1977
Heilige und Namenspatrone im Jahreslauf, Schauber/Schindler, Pattloch Verlag
Aus der Ortsgeschichte von Lehrer Friedrich Höreth
Der jüdische Friedhof Höchst
Wenn Sie einmal einen Spaziergang nach Höchst machen, schauen Sie sich den Friedhof an (in der Nähe des Hundeplatzes, am Anfang des Klosterwaldes). Er ist jedoch verschlossen, den Schlüssel gibt es auf Anfrage bei der Gemeinde.
Im Jahr 1898 wurde der Friedhof für die Juden eingeweiht. Der jüdische Bevölkerungsanteil war in Höchst größer geworden, der nächste Friedhof für Juden war in Michelstadt. Der erste Tote, der auf dem neuen Friedhof bestattet wurde, war Hirsch Siegel, am 29. Oktober 1899, die letzte Tote wahrscheinlich am 23.12.1936 - Malchen Mai, geb. Sonn.
Zweimal wurde der Judenfriedhof das Opfer mutwilliger Zerstörung. Nach der sogenannten Reichskristallnacht im Jahre 1938 wurden zahlreiche Steine umgestürzt und die Grabflächen verwüstet. Ein Teil der Steine wurde damals auch entwendet, Unter Aufsicht mußten dann 1946 ehemalige Nationalsozialisten aus Höchst die Grabsteine und Gräber wieder instandsetzen, unabhängig davon, ob sie 1938 an den Verwüstungen teilgenommen hatten oder nicht. Zum zweiten Mal wurde der Friedhof dann im März 1978 durch drei Kinder zerstört.
Gemäß dem Gesetz wird der Friedhof durch die Gemeinde Höchst gepflegt, Um nochmaligen Zerstörungen vorzubeugen, hat man ihn mit einem 2,5 m hohen Maschendraht umgeben. Viele Grabinschriften sind mittlerweile verwittert.
Auch das Judentum kennt die Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten. Was die Juden von den Christen unterscheidet : Es gibt bei ihnen keinen Totenkult, d.h. die Ehrfurcht vor den Toten gebietet, daß die Verstorbenen im wahrsten Sinne des Wortes in Ruhe gelassen werden. Die Gräber werden also nicht gepflegt, es gibt keinen Blumenschmuck.
Alle Grabsteine sind nach Osten , nach Jerusalem, ausgerichtet. Auf jedem Grabstein, in jedem Fall auf den Grabsteinen der orthodoxen Juden, steht in hebräisch t a n a z b e (Umschrift!). Das heißt übersetzt: Seine - Ihre - Seele möge eingebunden sein in das Bündel des Lebens.
Es gibt einen alten Brauch:
Jüdische Besucher legen kleine Steine auf die Grabsteine. Der Brauch liegt im Dunkeln. Eine mögliche Erklärung: Beim Auszug aus Ägypten war die Zeit bemessen. Tote konnten nicht erdbestattet werden. Damit der Leichnam vor wilden Tieren geschützt war, wurden Steine über die toten Körper gelegt. Der Brauch verfestigte sich im Laufe der Geschichte so, dass fromme Juden - besonders bei hochgeschätzten Rabbinern - viele kleine Steine auf die Grabsteine legten (heute noch gut erkennbar auf dem sehr alten Judenfriedhof in Worms)
Zeitzeugen von Mümling-Grumbach
Die zinnerne Weinkanne von Mümling-Grumbach
1668 stifteten drei Witwen des Dorfes eine schöne zinnerne Weinkanne, die noch heute im Besitz der evangelischen Kirchengemeinde ist. Die Gravur besagt, dass die drei Frauen die Kanne haben "machen lassen aus gemeinem Einzugsgeld". Einzugsgeld mußte dazumal der zahlen, der in einem Ort als vollberechtigter Nachbar aufgenommen wurde; dies geschah meist nach Gründung eines Ehestandes. Wie die Breuberger Amtsrechnungen zeigen, haben aber auch zuweilen Witwen Einzugsgeld bezahlt, und zwar wahrscheinlich deshalb, um auch nach dem Tode des Mannes im Genuß der Berechtigungen eines Nachbarn zu bleiben, d.h. Anspruch auf Benutzung der Allmende, auf Holzlieferung aus dem Wald und anderes mehr.
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Möglicherweise wurde der Teil des Einzugsgeldes, der der Gemeinde zufloß - den anderen Teil erhielt die Herrschaft - zur Anschaffung der Kanne verwendet. Die Namen der Stifterinnen, die eingraviert sind, waren:
Hans Hofferberts Witwe
Es dürfte sich um die Witwe des Hans Hofferbert handeln, der am 15.03.1666 verstorben war.
Hans Heichels Witwe (-> Heusel)
Die Heugel waren eine alte Breuberger Sippe. Am 07.06.1652 heiratete Leonhard Heugel von Hainstadt die Margarete Lang, Witwe des Andres Lang. Leonhard Heugel muß vor 1668 gestorben sein und seine Ehefrau wurde damit zum zweiten Mal Witwe. Interessanterweise starb Margarete Heugel am 09.01.1668 - die Kanne muß demnach vor diesem Zeitpunkt in Auftrag gegeben worden sein.
Hans Heisels Witwe (-> Heusel)
Die heutige Schreibweise des Familiennamens ist Heusel oder Häusel. Bei der Witwe muß es sich um die Ehefrau des Hanß Heusel handeln, der in der Einwohnerliste von 1648 mit den Söhnen Friedrich und Niclaus verzeichnet steht. 1668 hatten dann auch die beiden Söhne eigene Familien gegründet. Die alte Sippe Heusel/Häusel ist heute noch im Dorf vertreten.
Von zwei Stifterinnen leben noch heute Nachkommen in Mümling-Grumbach. Die Weinkanne ist deshalb nicht nur ganz allgemein ein wertvolles historisches Stück, sie steht auch in einer persönlichen Beziehung zu der heutigen Generation.
Aus: Muemling-Grumbach im 30jährigen Krieg, H.W. Debor, Lützelbach, 1986
Der älteste Stein Grumbachs
Vor 25 Jahren, da stand ich groß in der Zeitung. Denn damals haben mich zwei Bauarbeiter beim Abriss eines Hauses gefunden. Ich bin der älteste Stein Grumbachs mit Jahreszahl. 1559 steht auf mir und zwischen den Zahlen ist ein dreiblättriges Kleeblatt. Ob es Glück bringen soll, ob es ein Wappen darstellt, oder einfach ein gotisches Symbol für die Dreieinigkeit darstellt, mit dem das Haus vor bösen Mächten geschützt werden sollte, darüber streiten sich die Gelehrten.
Ursprünglich war ich der Scheitelstein über einer Kellertür von dem abgerissenen Haus auf dem Gelände der Familie Koch. Davor gehörte dieses Haus Adam Reeg, der schon immer gesagt hat: In seinem Haus wäre ein Schatz zu finden. Vor 25 Jahren bin ich wieder gehoben worden. Jetzt kann man mich wieder bewundern, wenn man ins Geschäft der Firma Teppich Koch kommt. Dort bin ich über der Ladentheke eingemauert und so für Euch erhalten.
Euer ältester Stein Grumbachs
Die Klostermühle
...das wissen nur noch die Älteren in unserem Dorf, dass es in Mümling-Grumbach eine alte Klostermühle gab. Am besten, ich erzähle aus meiner bewegten Geschichte:
Von 1424 bis 1780 war ich im Besitz des Klosters Höchst, danach bis 1919 war die Familie Lust Besitzer, seitdem bis zum heutigen Tage Familie Strömann.
Anstelle der alten Klostermühle baute Adam Lust I im Jahr 1859 das langgestreckte, steinerne Mühlengebäude mit den großen Rundbogenfenstern. Im Jahr 1865 kam die Ehefrau des Müllers ums Leben, als sie mit ihrer Schürze am Mühlrad hängen blieb. Der Betrieb der Schneidmühle wurde nach dem 1. Weltkrieg eingestellt. Die Gummiwerke Odenwald (später Metzeler) haben hier ihren Anfang genommen und von 1921 bis 1926 Fahrradreifen in dem Mühlengebäude hergestellt. Von 1959 bis 1966 wurde das Mühlengebäude als Reifenlager der Veith- Pirelli AG genutzt. Seit 1969 dient das Gebäude als Werkstatt der Firma Schneider, Heizungsbau. Ich selbst bin im Dorfbild unauffällig, aber neben mir steht unübersehbar ein repräsentatives Wohnhaus, erbaut im Jahr 1899. Schaut Euch das neoklassizistische Dekor an der Haustür und an den Fenstern an! Der gesamte Mühlgraben, der das Wasser zum Mühlrad leitete, wurde 1977 im Rahmen der Flurbereinigung verfüllt -außer den Gebäuden erinnert heute also nichts mehr an die bewegte Vergangenheit der alten "Klostermühle zu Mümling- Grumbach.
Kelterei Fuhr
Ihr kennt mich alle; wer heute an mir in der Mümling-Grumbacher-Straße vorübergeht, kann das Schild "Kelterei Fuhr" nicht übersehen. Apfelwein und Apfelsaft aus meiner Kelterei sind ein Begriff weit über Grumbach hinaus. Ich erzähle Euch kurz aus meiner bewegten Geschichte:
Das Jahr meiner Erbauung ist nicht mehr feststellbar, fest steht aber, daß es hier eine Gastwirtschaft gab, die über 300 Jahre im Familienbesitz war: Die Gastwirtschaft "Zur Krone". Im Jahr 1811 baut Johann Dieter Meißinger die Brennerei und legt damit den Grundstein der heutigen Kelterei Fuhr. Neben einer kleinen Landwirtschaft wird hier eine "Essig- und Likörfabrik" betrieben. Der "Breuberger Burgtropfen" - ein Markenartikel des Hauses - wird am 11.1.1900 vom Kaiserlichen Patentamt in Berlin zum Schutz der Warenbezeichnung in die Zeichenrolle eingetragen.
Im Jahr 1884 wird in meinem Haus eine Postagentur eingerichtet, d.h. hier befindet sich auch das erste Telefon in Mümling-Grumbach. Diese Agentur feiert im Jahr 1934 ihr 50jähriges Jubiläum; ein Jahr später wird die Agentur aus politischen Gründen geschlossen. Neben der Postagentur befindet sich im ErdgeschoB die Gastwirtschaft "Zur Krone". Im ObergeschoB wird im Tanzsaal das Tanzbein geschwungen. 1938 wird auch die Gastwirtschaft geschlossen.
Im Laufe meiner bewegten Geschichte wurde ich verschiedentlich umgebaut, zuletzt im Jahr 1932. Im Haus Fuhr konnten 1996 übrigens Wilhelm und Elisabeth Fuhr das seltene Jubiläum der Diamantenen Hochzeit feiern.
Das Matronenrelief
Im Jahre 1841 fand der Gräflich Erbachische Archivrat, Christian Kehrer, in der Friedhofsmauer einen weit über die Grenzen des Odenwaldes hinaus bekannt gewordenen keltisch-römischen Altarstein. Der Stein erhielt seinen endgültigen Platz an der inneren Nordwand der kleinen Kirche. Er zeigt in einer schwachüberdachten Nische drei keltische Erntegöttinnen. Auf Sesseln oder auf einer Steinbank sitzend -das nur schwach angedeutet -halten sie Schalen mit Früchten in den Händen. Ihre wallenden Gewänder reichen bis zur Erde.
Über der Brust sind die Gewänder mit Fibeln zusammengehalten. Zuerst wollte man dem Altar eine christliche Deutung geben. Die drei Gestalten wurden als die drei Weisen aus dem Morgenland erklärt. Die Sonne, die über ihnen strahlt, wurde als der Stern von Bethlehem gedeutet. Der Altarstein ist jedoch keltisch-römisch und stammt aus der Zeit des Kaisers Hadrian (117 -138).
Die Grumbacher Kerb
In Mümling-Grumbach war von altersher Sankt Ägidius der Dorfpatron. Er galt in der alten Kirche als einer der 14 Nothelfer und war Beschützer der Hirten und Viehzüchter. Das hatte seine besondere Bewandtnis, da das Dorf früher zur Herrschaft Breuberg und zur Zent Höchst gehörte.
Im Mittelalter bildete fast das ganze Breuberger Land eine einzige Zent (mit Zentwald und Zentweide). Die Zentweide und der Wald lagen im Mümlingtal und an seinen Hängen zwischen Grumbach und der Weilbach, die vom Fürstengrund kommend, bei Etzen-Gesäß in die Mümling endet. Auf der Zentweide herrschte während des ganzen Sommers fröhliches Leben. Hirten und Hütejungen weideten das Vieh und wohnten auch hier. Der Heilige dieser Hirten war Sankt Ägidius. Ihm war der erste Sonntag im September geweiht. An diesem Tag feierten die Hirten ihr Fest und hielten auf der Höhe, auf der heute die Bergkirche steht, ihren Gottesdienst.
Und so ist es auch heute noch - die erste schriftliche Erwähnung der Grumbacher Kerb findet sich im Höchster Kirchenbuch am 5. September 1695. Hier wird ausdrücklich gesagt, "dass die Kerb zu Grumbach von altersher am 1. Sonntag im September gefeiert wird". Uns so wird es wohl auch in Zukunft bleiben...
Die Grumbacher Gaaß - oder Ein Besuch bei dem Patron unserer historischen Bergkirche, dem Heiligen Ägidius in Saint-Gilles, Frankreich
Friedrich Höreth (1892-1969), Lehrer und Heimatforscher in Mümling-Grumbach, war es, der entdeckte: Die historische Bergkirche in Mümling-Grumbach ist ein Patrozinium des Heiligen Ägidius. Die Legende des Heiligen Ägidius, der mit einer Hirschkuh zusammen lebte, hat mich von Anfang an fasziniert. Bei meiner Planung für eine Reise in die Provence wollte ich also unbedingt Saint-Gilles-Du-Gard besuchen, auch wenn es nicht direkt auf unserer Route lag. Denn in der mächtigen Krypta der romanischen Kirche in St.-Gilles ist der Heilige Ägidius begraben. Als ich unserer Reiseleiterin Lea erzählte, dass ich 25 Jahre in einer Kirche gepredigt habe, die dem Heiligen Ägidius geweiht ist, dass deswegen die Menschen in Mlg.-Grumbach ihr Kirchweihfest am 1. Sonntag im September feiern, da meinte sie: "Da fahren wir hin, auch ich mag diesen sympathischen Heiligen."
Wir hatten nicht viel Zeit in dieser kleinen Stadt in Südfrankreich. Dennoch bin ich froh und auch dankbar, dass ich den Wirkungsbereich und die Grabstätte des Heiligen Ägidius besuchen konnte. In einer kleinen Buchhandlung neben der Kirche kaufte ich ein Büchlein, aus dem folgende Zeilen über den Heiligen Ägidius entnommen sind:
Saint-Gilles-Du-Gard
Der Legende nach ist der Heilige Ägidius (Saint Gilles) in Athen um die Mitte des 7ten Jahrhunderts geboren. Schon in seiner Jugend zeichnete er sich durch Wunder aus. Um jedoch dem Ruhm zu entweichen, verließ er sein Vaterland und ging in der Provence an Land.
Die Stadt Arles und danach der heilige Eremit Vérédème, der am Ufer des Gardons Zuflucht gefunden hatte, empfingen ihn. Dann zog er sich als Einsiedler ins Tal Flavienne zurück, in Begleitung einer jungen Hirschkuh. Diese gab den Anlass an die Begegnung vom Heiligen Ägidius mit dem König Wamba: bei einer Jagd nahm das durch die königliche Hundeschar verfolgte Tier Zuflucht beim Einsiedler (durch diese Tat wurde der heilige Ägidius als Beschützer der Hilflosen angerufen).
Wamba fand den heiligen Ägidius durch den Pfeil eines Jägers verletzt; davon gerührt, schenkte er ihm das Tal Flavienne, um dort eine Abtei zu errichten.
Unmittelbar unter die Gerichtsbarkeit von Rom gestellt, fand das Kloster, um das sich die Stadt ausdehnte, eine sehr beträchtliche Ausstrahlung. Dieses erste Kloster, das den Heiligen Petrus und Paulus gewidmet war, erlebte den Tod vom Heiligen Ägidius am 1. September 720 oder 721. Die Verehrung des Heiligen verbreitete sich sehr schnell. Eine Vielzahl von Pilgern aus fernen Ländern (Flandern, Dänemark, Ungarn, Norwegen, Polen ...) begaben sich zu seinem Grab, den Heiligen Ägidius insbesondere zum Schutz gegen die Ängste, ihr Nervenleiden, das Feuer und zum Schutz der Kinder anbetend.
Städte und Dörfer in Frankreich und im Ausland wurden nach dem Heiligen benannt; über zweitausend Kirchen nahmen ihn als Schutzpatron. Der Heilige Ägidius, dessen erstes "Heiligenleben" um das Jahr Tausend geschrieben wurde, hat sein Grabmal in der Krypta unserer Stadt. Im Jahr 1050 war es eine unter den vier meist besuchten Pilgerstätten der Christenheit mit Jerusalem, Rom und Satiago de Compostella und heute noch scharen sich beim Grab des Heiligen Pilger aus allen Ländern unter die Touristen, die somit an die mittelalterliche Überlieferung anknüpfen.
Klaus Schimmel